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Implementierung von Einkauf 4.0

[04.11.2020]

Foto: Sergey Nivens - stock.adobe.com

Industrie 4.0 hat Einfluss auf alle Unternehmensprozesse. Dem Einkaufsbereich kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn er bildet die zentrale Schnittstelle zwischen internen und externen Partnern in der Wertschöpfungskette und ist deshalb eine strategische Schlüsselkompetenz innerhalb der Organisation. Einsparungen im Einkauf wirken sich direkt auf den Unternehmensgewinn aus. Die Möglichkeiten des Einkaufs 4.0 gegen der Beschaffungsfunktion die Chance seiner strategischen Rolle gerecht zu werden. Zudem lassen sich Prozesskosten senken. Die Möglichkeiten zur Gestaltung im Bereich Procurement 4.0 sind allerdings breit. TCW unterstützt Unternehmen dabei, die eigene Beschaffungsfunktion an den richtigen Stellen weiterzuentwickeln.

Neue Möglichkeiten im Rahmen der Industrie 4.0 haben Auswirkungen auf die Gestaltungsfelder und Möglichkeiten des digitalen Einkaufs. Durch die Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien ist die Übermittlung von Daten zur Nachfrage aus der Produktion in Echtzeit weltweit möglich. Daten können direkt, sobald sie verfügbar sind, verschickt und mithilfe angepasster Algorithmen ausgewertet werden. Aus der neuen Datentransparenz ergeben sich neue Analysemöglichkeiten. Digitale Tools unterstützen bei der Bestellabwicklung ebenso wie bei der Planung sinnvoller Einkaufsstrategien.

Der Einkauf als strategische Schlüsselkompetenz

Im Fallbeispiel handelt es sich um ein international tätiges, mittelständisches Unternehmen aus der Elektronikbranche, das mit den Nachwirkungen der Elektronikkrise zu kämpfen hatte und dessen Einkaufsstrukturen veraltet und von großem händischen Aufwand geprägt waren. TCW wurde damit beauftragt, das Unternehmen in Bezug auf die Prozessabläufe und IT-Struktur im Einkauf zukunftsfähig zu gestalten. In den ersten Gesprächen zeigte sich, dass das Unternehmen vor mehreren Herausforderungen stand: Der Einkaufsbereich bildete den verlängerten Entscheidungsarm des Projektgeschäfts und war damit mehr verwaltender als gestaltender Einkauf. Zusätzlich war die IT-Struktur veraltet und der gesamte Einkaufsprozess mit hohem Personaleinsatz verbunden. Die Stammdatenqualität war nicht geeignet, um Transparenz über die Einkaufsvorgänge zu bekommen. Die Ableitung von strategischen Entscheidungen war somit sehr mühevoll. Es war dringend notwendig, dass die Beschaffungsfunktion sich verstärkt mit den neuen Anforderungen auseinandersetzte. Die Erwartungshaltung und die Anforderungen an den operativen und strategischen Einkauf im Unternehmen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Um am Markt bestehen zu können und Kunden langfristig zu binden, wollte der Konzern nicht nur einzelne Produkte, sondern neue hybride Leistungsbündel anbieten, eine Kombination aus Produkten und Services, was einen erheblichen Einfluss hat und Mehraufwand im Einkauf bedeutete. Durch die Elektronikkrise war außerdem zusätzlicher Kostendruck vorhanden, sodass zahlreiche Aufgaben des operativen Einkaufs digitalisiert und automatisiert werden sollten. Um diese Rolle erfüllen zu können, musste der Einkauf neben einem sehr guten technischen Verständnis auch ein ausgezeichnetes Produktverständnis entwickeln, sowie Liquidität und Gewinne immer im Blick behalten können. Auch die Integration neuer Analysemöglichkeiten und Online-Plattformen im Rahmen von Big Data sollten zu besseren und schnelleren Entscheidungen führen. Insgesamt musste der Einkauf sich auf diese Entwicklungen einstellen und die Strukturen und Prozesse bestmöglich anpassen. Auch war es das Ziel, den Einkauf als Werthebel zu etablieren. Hierzu musste die strategische Bedeutung und die Entscheidungsbefugnis der Einkaufsfunktion gestärkt werden.

Fünfstufige Vorgehensweise zur Implementierung des Einkaufs 4.0

Im Rahmen des Projektes verfolgte TCW eine fünfstufige Vorgehensweise, um den Einkauf fit für die Zukunft zu gestalten.


Die einzelnen Arbeitspakete gliederten sich in:

  • Projektleitfaden: In der ersten Phase wurde ein auf die Situation des Unternehmens zugeschnittener Projektleitfaden entwickelt. Dazu wurden Ausganssituation, bestehende Vorarbeiten, Projektprioritäten und Ziele analysiert. Am Ende wurde gemeinsam mit dem Projektteam ein transparenter Projektplan mit Deliverables und Arbeitsplänen erstellt.
  • Procurement Audit: Im zweiten Schritt erfolgte ein Procurement Audit, das zur Identifikation der spezifischen Problemfelder und zur Einordnung des Unternehmens in der Procurement Reifegradskala diente. Im Rahmen des Audits konnten die Warengruppen und der Einkaufsbereich identifiziert werden, bei dessen Veränderungen der größte Mehrwert generiert werden kann.
  • Konzeptentwicklung Operativer Einkauf: Procurement 4.0 bedeutet auch, die Abwicklungsprozesse so schlank wie möglich zu gestalten. Viele Procurementlösungen zielen hierauf ab. Das Modul 3 diente der Entwicklung von Optimierungsansätzen zu effizienten und effektiven Beschaffungsprozessen im Elektronikeinkauf, unterstützt durch eProcurement-Tools und einer transparenten Stammdatenbasis, welche systematische Auswertungen und ein zielgerichtetes Management der Warengruppen ermöglichen.
  • Konzeptentwicklung strategischer Einkauf: Die Digitalisierung im Einkauf schafft die Voraussetzung, die Rolle des Einkäufers noch stärker auf die Wertgestaltung in den frühen Phasen des Projektgeschäftes oder der Produktentwicklung auszurichten. Gerade Ausschreibungen lassen sich mit neuen Möglichkeiten und Plattformen deutlich effizienter abwickeln. Im vierten Modul wurden entsprechend den Anforderungen des Elektronikunternehmens geeignete Plattformen und Tools ausgewählt, um den warengruppenspezifischen Einkauf und das Lieferantenmanagement zu optimieren. Allein die Auswahl neuer Tools reichte dabei jedoch nicht aus. Die neuen Methoden und Prozessabläufe mussten im Einkauf implementiert und verinnerlicht werden. Durch die gezielte TCW Unterstützung und Schulung konnte das neue Selbstverständnis der gestärkten Einkaufsfunktion im Unternehmen verankert und gemeinsam neue Prozess- und Organisationsstrukturen entwickelt werden.
  • Potenzialrealisierung und Implementierung: Neue Arbeitsweisen bedeuten Change-Management und eine aktive Veränderungskultur. TCW unterstütze das Unternehmen aktiv bei allen Prozessschritten und stellte so die nachhaltige Hebung der Einkaufspotenziale sicher. Die Unterstützung reichte dabei von der Bereitstellung von Man-Power bei Ausschreibungen über die Anwendung von TCW-Tools zur Abwicklung von umfangreichen Tendering-Initiativen bis hin zur gezielten Lieferantenidentifikation.

Im Einkauf liegt der Gewinn – nachhaltige Materialkostensenkung

Um eine möglichst schnelle, aber auch nachhaltige Hebung der Einkaufspotenziale zu gewährleisten und neue Methoden des Einkaufs 4.0 zu implementieren, setzte TCW auf einen mehrstufigen Ansatz. Im Rahmen des Projektes konnte das Unternehmen mit Hilfe der Unterstützung von TCW, die Materialkosten bei einem Einkaufsvolumen von über 110 Millionen Euro im Durchschnitt um mehr als 20% reduzieren.


Basierend auf der strategischen Analyse von Massendaten konnten unter anderem Zwischenhändler übersprungen und Produkte direkt vom Hersteller bezogen werden, was einen wesentlichen Bestandteil der Einsparungen bildete. Durch die Unterstützung bei einer groß angelegten Ausschreibungsaktion konnten viele neue Lieferanten identifiziert und die Global Sourcing Aktivitäten gestärkt werden. Durch die systematische Analyse konnte auch die Zeit zur Identifikation anderer geeigneter Lieferanten um mehr als ein Viertel reduziert werden. Die Verbesserung der genutzten Datenbasis, neue Methoden und Tools sowie die Einführung der Nutzung von Sourcing-Plattformen hat dazu geführt, dass die Arbeit im strategischen Einkauf professionalisiert wurde. Warengruppenstrategien können in Zukunft somit schneller und präziser auf Basis von vorliegenden Marktdaten ermittelt werden. Auch konnten durch eine Respezifikationsinitiative überdimensionierte Materialanforderungen gesenkt und der Anteil an Standardmaterialien erhöht werden. Eine Optimierung von Make-or-Buy Umfängen führt dazu, dass aufwändige Vormontageprozesse zu Modullieferanten ausgelagert werden konnten, welche aufgrund der Spezialisierung und der Mengeneffekte attraktive Konditionen anbieten konnten. Die Nachverhandlung bei bestehenden Lieferanten wurde durch das Verhandlungsargument neuer Preise aus den Ausschreibungen ein voller Erfolg. Die pilotmäßige Begleitung einer Warengruppenoptimierung führte zu einer Stärkung der Position im eigenen Unternehmen und zur früheren Einbindung der Beschaffung in das Projektgeschäft.

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